Deir el-Bahari
Text 2: Das Massaker vom 17. November 1997

Titelbild Deir el-Bahari mit dem ägyptischen Namen der Tempelanlage in Hieroglyphen

Djeser-djeseru

Deir el-Bahari

Der Tempel der Maat-ka-Ra Hatschepsut

Teil 2

Djeser-djeseru

Hieroglyphen: Tempel für viele Millionen Jahre, Tempel des Amun, der Erhabenste der Erhabenen

Tempel für viele Millionen Jahre, Tempel des Amun, der Erhabenste der Erhabenen – so nannten die Ägypter die Tempelanlage in Deir el-Bahari auf der Westbank der alten Königsstadt Theben, dem heutigen Luxor.

Königin Hatschepsut regierte Ägypten vermutlich zwischen 1478/79 - 1457/58 v. Chr.

Sie trug den Thronnamen Maat-ka-Ra, war die Witwe des Pharaos Thutmosis II. und lies die Tempelanlage Djeser-djeseru über drei Terrassen von ihrem Baumeister Senenmut als ihren Totentempel errichten.

Das zentrale Heiligtum auf der dritten Terrasse war dem Gott Amun geweiht. In weiteren Kapellen wurden die Göttin Hathor und der Gott Anubis verehrt.

Terror und Gewalt in Ägypten

Traurige Berühmtheit erfuhr der Tempel der Hatschepsut am Morgen des 17. November 1997, als ein sechsköpfiges Killerkommando der islamistischen Gama'at al-Islamiyya (Islamische Vereinigung) mit Sturmgewehren und Maschinenpistolen in die Touristenmenge am Fuße des Tempels schießt. 58 Touristen, darunter vier Deutsche, sowie vier ägyptische Polizisten und Zivilisten kommen dabei ums Leben.

Deir el-Bahari | Der Tempel der Maat-ka-Ra Hatschepsut | Foto: © Sabrina | Reiner | Lizenz CC BY-SA
Creative Commons Attribution-ShareAlike

Abbildung: Deir el-Bahari | Der Tempel der Maat-ka-Ra Hatschepsut
Hier ereignete sich das Massaker vom 17. November 1997
Foto: © Sabrina | Reiner | www.stilkunst.de | Lizenz CC BY-SA

Damals bewachten gerade mal 35 Beamte die gesamten Tempel- und Grabanlagen in und um Luxor. Heute bietet sich dem Touristen ein völlig anderes, vielleicht sogar beängstigendes, in jedem Fall aber gewöhnungsbedürftiges Bild: Militär, Polizei und Touristenpolizei in Uniformen sowie Security-Angestellte in Zivil, ausgestattet mit Pistolen, Gewehren und Maschinenpistolen, sind allgegenwärtig. Für den Fotografen ist es fast unmöglich, ihre Anwesenheit auf den Bildern zu vermeiden.

Doch das beeindruckende Sicherheitsaufgebot trug Früchte: Bis Januar 20111 zählte Ägypten zu den sichersten Tourismuszielen und stand im Jahr 2004, als unsere Fotos in Ägypten entstanden, in der Liste der durch Terrorismus potentiell gefährdeten Staaten gleichrangig neben Deutschland. Deutlich schlechter bewertet, und damit als gefährdeter eingestuft, wurden damals die traditionellen Reiseländer wie Spanien, Griechenland oder die Türkei.

1 Doch das Bild hat sich leider verändert: Im Januar 2011 forderten Protestierer in Kairo nach den Aufständen in Tunesien den Rücktritt des ägyptischen Staatspräsidenten Husni Mubarak. Von nun an sind bis heute das Land und seine Bürger in Unruhe. Demonstrationen, Gewalt und Eskalationen bestimmen fortlaufend die Schlagzeilen der Medien. Das beliebte Reiseland wurde unsicher. Zeitweise riet das Auswärtige Amt von Reisen nach Ägypten ab, zeitweise boten Reiseveranstalter keine Reisen nach Ägypten an.

Im Februar 2011 übergibt Mubarak die Regierungsgewalt an den Militärrat. Eine Übergangsregierung wird gegründet. Bei den Wahlen im November 2011 erlangt die Muslim-Brüderschaft fast die Hälfte der Sitze im Unterhaus, die Salafisten etwa ein Viertel. Gemeinsam belegen die konservativen islamistischen Parteien mehr als 70 Prozent der Sitze. Im Juni 2012 erklärt das ägyptische Verfassungsgericht die Wahlen zum Unterhaus für ungültig und beschließt kurz vor der Wahl des Präsidenten die Auflösung des Parlaments. (Quelle des historischen Abrisses: Wikipedia, Artikel »Staatskrise in Ägypten 2013« )

Das Land kommt bis heute, im Januar 2014, nicht zur Ruhe. Mit den Krawallen verbunden waren immer wieder ernsthafte Bedrohungen der Tourismusgebiete, Eskalationen, Anschläge und Plünderungen hatten auch die historischen Schätze Ägyptens nicht verschont.

Ägypten braucht den Tourismus schon allein deswegen, um die vielen historischen Stätten und Schätze zu pflegen und zu zu bewahren. Viele ägyptische Bürger leben vom Tourismus in einem Land, das sich zu bereisen lohnt!

Zwar sind längst wieder die Tourismusziele geöffnet und Hotels bieten Sonderpreise für Reisende, doch noch ist keine Ruhe in Sicht. Immer wieder eskalieren Demonstrationen und münden in rohe Gewalt.

Wir hoffen sehr, dass Vernunft und Frieden einziehen wer­den in all diese Länder rund um das Mittelmeer, die von Unruhen, Krawallen, Bürgerkriegen und Terrorismus geschüttelt wer­den. Schon der Menschen wegen, die ganz sicher Frieden wollen. Das unterscheidet sie nicht von uns. Doch auch, um diese wunderschönen Länder, die etliche Kinderstuben unserer westlichen Kultur und unserer Religionen beheimaten, wieder ohne Gefährdungen eröffnen zu können für Wissbegierige, Suchende und Reisende. Es sind Schätze der Menschheit, und sie sollten der Menschheit offenstehen.

Das Massaker vom 17. November 1997

Ein typischer warmer und sonniger Herbsttag in Ägypten. Morgens, etwa viertel nach neun, haben sich bereits zahlreiche Touristen im Tempel eingefunden, als plötzlich Schüsse fallen und Mörder auf die Touristen los stürmen. Der Überfall der Attentäter mit automatischen Waffen und Messern dauert beinahe eine dreiviertel Stunde. - Die Panik, die dort nach wenigen Schrecksekunden geherrscht haben muss, ist unvorstellbar, die Trauer über die Opfer unüberwindbar, die Bestürzung über die Tat tief und bodenlos. Fassungslosigkeit und Ohnmacht gegenüber Wertesystemen, in denen das Leben – ja sogar das eigene! – nichts, die Ideologie dagegen alles bedeutet.

Homo sapiensder weise Mensch! Ist dies nicht mehr als die Hoffnung, dass er einst sein wird, was seine wissenschaftliche Gattungsbezeichnung ausdrücken will: einfach Mensch? An Tagen wie diesen und durch Taten wie diese, ungezählt, an zahllosen Orten auf dieser Welt, täglich, verliert diese Hoffnung ihren Glanz.

Aus der Presse

Wir erlauben uns an dieser Stelle, einige wenige Artikel zu zitieren aus Der Berliner Kurier, Die Zeit und aus dem Schweizer Nachrichtenblatt Volksstimme. Es sind Belege dafür, was damals die Nachrichtenagenturen beschäftigte und in jeder Tageszeitung, in jedem Magazin für Schlagzeilen sorgte. Sie dienen uns hier als inzwischen historische Quellen mit dem Zweck, nicht zu vergessen.

Gewalt beginnt im Kopf und äußert sich wie in diesem Fall in grausamen, nicht nachvollziehbaren Handlungen. Frieden beginnt im Herzen.

Der Berliner Kurier berichtet in seiner Ausgabe vom 18. November 1997 (nachzulesen im Textarchiv des Berliner Kurier):

Als die Touristen die Anlage betreten wollten, stürzten die Terroristen auf sie los. Sie eröffneten das Feuer aus Maschinenpistolen und Sturmgewehren, die sie aus Polizeibeständen gestohlen oder kurz zuvor Wachmännern abgenommen hatten. Wahllos schossen die Mörder ganze Magazine in die Menschenmenge. Busfahrer Husni Abu Slim: »Sie feuerten auf alles, was sich bewegte. Mütter warfen sich schützend über ihre Kinder. Ich habe nie solch ein Gemetzel gesehen.«

Die Urlauber schrien entsetzlich, liefen in Panik durcheinander, suchten hinter Säulen Schutz. Überall blieben Tote und Verletzte liegen. Die gnadenlosen Mörder setzten auch den Flüchtenden nach. Als die Magazine leer geschossen waren, stießen die Terroristen mit Dolchen auf die Urlauber ein.

Ein Augenzeuge: »Die Angreifer waren wie im Delirium, blutdürstig, verrückt. Sie verstümmelten noch die Leichen.« 45 Minuten dauerte das Gemetzel am Fuße des Tempels. Polizisten, die die Anlage bewachten, erwiderten das Feuer, erschossen einen der Attentäter.

Nach dem Massaker kaperten die Mörder einen Bus, ermordeten drei darin wartende ältere Touristen und fuhren ins Tal der Könige. Dort wurden alle in einem dreistündigen Gefecht mit ägyptischen Sicherheitskräften erschossen.

DIE ZEIT berichtet nach dem Massaker über die Auswirkungen für die mit dem Tourismus verbundenen Produktionsunternehmen, Händlern und Dienstleistern und hinterfragt die aktuellen Aussagen zur Sicherheitspolitik vor dem Hintergrund der traurigen Ereignisse. Dazwischen der Bericht da­r­ü­ber, wie die Attentäter im Tal der Könige gestellt wurden (aus: DIE ZEIT, Archiv 50/1997):

Am Morgen des 17. November wurden sämtliche Monumente von Luxor gerade mal von 35 Beamten der lokalen Touristenpolizei überwacht. Als das sechsköpfige Killerkommando der islamistischen Terrorbande Gama'at al-Islamiyya nach dem Massaker in die Bergwüste floh, wurden sie nicht von Polizisten, sondern von unbewaffneten Zivilisten verfolgt. Über 300 Männer und Frauen aus den Dörfern bei Luxor jagten das Terrorkommando, zu Fuß, auf Motorrädern, mit klapprigen Autos. »Die Terroristen schossen auf uns«, berichtet der Restaurantbesitzer Sayyed Abu Dayf, »als dann endlich die Polizei kam, haben wir ihr die Höhle gezeigt, in der sich sechs Attentäter verbargen«.

Unter den Opfern waren 36 Angehörige Schweizer Touristengruppen. Das Schweizer Nachrichtenblatt Volksstimme berichtet im Nachrichtenteil ihrer Ausgabe vom 20. November 1997 (aus: Archiv der Volksstimme):

sda. Nach Angaben der Schweizer Botschaft in Kairo wurden bei dem blutigen Attentat 36 Schweizerinnen und Schweizer getötet. Die meisten Opfer sollen aus der Region Zürich stammen. Gemäss den zuletzt vorliegenden Informationen war geplant, die Leichen der Schweizer noch am Mittwoche abend in die Schweiz zurückzufliegen. Nach Angaben des ägyptischen Innenministeriums war die Identifizierung der Opfer schwierig, da sie durch Messerstiche getötet wurden. Bei dem Massaker am Hatschepsut-Tempel bei Luxor starben rund 60 ausländische Touristen. [...]

Betroffen war in erster Linie eine 29köpfige Reisegruppe von Imholz, von der die meisten Mitglieder offenbar getötet wurden.

Fortsetzung in den Teilen 1 und 3 bis 4

Teil 1:

  • Djeser-djeseru – Tempel für viele Millionen Jahre, Tempel des Amun, der Erhabenste der Erhabenen, so nannten die Ägypter die Tempelanlage in Deir el-Bahari auf der Westbank der alten Königsstadt Theben, dem heutigen Luxor. Im ersten Teil stellen wir Ihnen die Tempelanlage überblicksartig vor.

Teil 3:

  • Die Vorstellung von einem Leben nach dem Tode bestimmte den universalen Machtanspruch der Pharaonen und ihr Dasein zu Lebzeiten. Der Totenkult prägte das Leben. Do wo sind Hatschepsut und Senenmut begraben? Wie unterscheiden sich die Tempel der Maat-ka-Ra und des Mentuhotep II.?

Teil 4:

  • Die Anubis-Halle im Tempel der Hatschepsut überrascht mit einem merkwürdigen Relief: Dort, wo eigentlich der Totengott Anubis verehrt wird, zeigt sich der Gott Sokar. Als Totengott der Ägypter stammt er aus einer anderen Epoche und aus einer anderen Region des weit gestreckten Landes. Was macht Sokar in der Anubis-Halle? Wir finden keine Antwort, aber es zeigt sich ein Puzzle vor dem Hintergrund der Zerstörungen und Veränderungen in den Zeiten nach Maat-ka-Ra.
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