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Muss man nicht lesen, kann man aber!

AKW Springfield teilweise geschlossen

19. März 2011

A ls Reaktion auf die AKW-Katastrophen in Japan überlegen nach Zeitungsberichten Fernsehsender in der Schweiz, vereinzelte Folgen der Cartoon-Serie “Die Simpsons” nicht zu senden.

Die Simpsons leben in einer kleinen Stadt namens Springfield. Homer Simpson, das Familienoberhaupt, arbeitet im dortigen AKW. Kritiker behaupten, in einigen Folgen der Serie wird ein sehr lascher Umgang mit Sicherheitsvorschriften im AKW Springfield gezeigt. Ein Grund, die Serie zu zensieren.

Wir sind uns nicht sicher, ob das eine vernünftige Reaktion auf die Katastrophen in den japanischen AKWs als Folge des Tsunamis ist. Die Simpsons, alle Bürger Springfields und die kleine Stadt selbst sind Karikaturen einer möglichen Wirklichkeit: Völlig überzeichnet, aber auf einer Basis, die sich am Leben in unserer Gesellschaft orientiert. Und zu diesem Leben gehören nun einmal für viele, viele Millionen Menschen AKWs in unmittelbarer Nähe.

Niemand ist in Wirklichkeit so wie Homer Simpson (hoffen wir mal!), niemand möchte ein Kind wie Bart Simpson, auch nicht als Vorbild für die eigenen Kinder (hoffen wir mal!) und niemand möchte ein AKW wie das AKW Springfield vor der Tür (das unterstellen wir mal!). Aber die Serie ist weltweit erfolgreich und beliebt. Warum? Steckt vielleicht nicht doch ein klein wenig Homer und ein bischen Bart in vielen von uns? Ist Springfield überall?

Vermutlich kann man den Autoren vorwerfen, dass ihre Überzeichnungen einerseits die Atomkraft verharmlosen, andererseits den Betreibern von AKWs einen sehr sorglosen Umgang mit den Sicherheitsvorkehrungen unterstellen. Beides wäre sicher falsch und eine Fehlinterpretation. Aber schauen wir kurz auf zwei Fakten in der Wirklichkeit, die uns das AKW Springfield nahe bringen könnte, mit Blick auf Tschernobyl und Fukushima:

1. Die Zone, in denen Menschen bei einer Katastrophe gefährdet sind, ist unglaublich groß und lässt sich kaum mit Kilometerangaben beschreiben. Direkte Auswirkungen gibt es in einem viele Kilometer durchmessenden Kreis um das betroffene AKW. Wetterlagen, Wind, Nahrungsmittel und Nahrungsketten können das Problem über Tausende von Quadratkilometern ausdehnen.
In sofern sind AKWs für fast alle Menschen in den Industrienationen in unmittelbarer Nachbarschaft angesiedelt. Sie sind auch in Ihrer Nachbarschaft! Und nicht nur eines.

2. Es gibt Risiken, die wahrscheinlich eintreten werden. Die Größe der Wahrscheinlichkeit, und ist sie noch so klein, ist nur eine statistische Zahl auf einem Blatt Papier. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung besagt nicht, dass ein Ereignis erst dann auftritt, wenn sein Zeitäquivalent auf Grundlage der Wahrscheinlichkeitsgröße abgelaufen ist. Auch ein Ereignis, dass mit einer Wahrscheinlichkeit im Nano-Bereich angegeben ist, kann sofort, jetzt und heute eintreten.

R ichtig: Risiken gibt es überall. Es geht auch nicht darum, die Risken völlig auszuschließen. Sondern es geht um die sehr wichtigen Fragen, welche Folgen ein Ereignis hat und ob diese Folgen tolerierbar oder beherrschbar sind.

Die Folgen eines Super-GAU in einem AKW sind weder tolerierbar noch beherrschbar. Mit dem sogenannten Restrisiko wird bei derartig schlimmen Ereignissen bewusst einkalkuliert, dass die Lebensräume, die Gesundheit und die Lebensqualität vieler Menschen Schaden nehmen. Es wird einkalkuliert, dass zahlreiche Menschen direkt oder an den Spätfolgen des Unfalls sterben werden.
Das ist der Preis, der gezahlt werden muss! Von uns.
Das ist es, was sich hinter dem verharmlosenden Begriff Restrisiko befindet und nicht wegdiskutiert werden kann.

Atomstrom sorgt für günstige Verbraucherpreise auf dem Markt, heißt es. Alternative Energiegewinnung ist zu teuer, heißt es.

Gerade bei älteren AKWs müsste jedoch in Modernisierungen investiert werden, um das Restrisiko nach dem heutigen der Stand der Technik weiter abzusenken. Allerdings sind allein dafür die Kosten so hoch, dass der Betrieb der Anlagen unrentable zu werden droht. Die Duldung zu geringer Sicherheitsstandards im Betrieb ist eine direkte Subvention der Produktionskosten. Das macht womöglich den wahren Preisvorteil aus.

Uns würde interessieren: Gibt es bei den Betreibern Rücklagen, nötiger Weise in Milliardenhöhen, um alle Unfallfolgen wenigstens in Ansätzen finanziell zu kompensieren? Haften sie mit dem kompletten Unternehmenskapital für Folgen, die durch kleine und große Unfälle enstehen? Bei einer wirtschaftlichen Betrachtung der Folgekosten für Atomunfälle kann eingentlich nur der Schluss gezogen werden: Alternative Energien sind in jedem Fall günstiger. Auch dann, wenn sie noch so teuer sind.
Das lernen wir gerade am traurigen Beispiel von Fukushima. Das lernen vor allem die Menschen, die bisher rund um Fukushima lebten.

Das AKW Springfield lahmzulegen, nützt da wenig und zielt auch noch in eine völlig falsche Richtung, wie wir meinen. Vielmehr wäre an diesen Frage zu arbeiten:
Wie können bei einem GAU oder Super-GAU die atomaren Kräfte so beherrscht werden, dass die Restfolgen tolerierbar sind?
Wie können die Restrisiken so eingerenzt werden, dass ihre Folgen schlimmstenfalls den Betreibern zur Last fallen, nicht der mehr oder weniger unbeteiligten Bevölkerung ganzer Landstriche oder gar der ganzen Welt.

Die Zeit bleibt nicht stehen. Und vielleicht liefern Wissenschaftler und Wirtschaftslenker von morgen die Antworten auf unsere Fragestellungen von heute.

Reiner

Kategorien: Politik | Atomkraft

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