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Muss man nicht lesen, kann man aber!

Gedenken im November

17. November 2016

Trauer und Hoffnung | Foto: © Geschütztes Bildmaterial - copyrighted picture

Die Zeit der Trauer

Wir befinden uns in den letzten Wochen des Kirchenjahres, die von Allerseelen, vom Volkstrauertag und vom Totensonntag dominiert werden.

Es ist Spätherbst. In unseren Brei­ten­gra­den macht sich die Natur für den tiefen Win­ter­schlaf bereit, aus dem heraus sie neu erwachen wird. Dunkle Wolken, Regen und Herbst­stürme wirken drückend, fallendes Laub markiert das endgültige Ende des Sommers.


Es geht um Vergänglichkeit. Entstehen, wachsen, sich entfalten: Das alles mündet unausweichlich in Vergänglichkeit. Ab und zu begegnet uns diese Vergänglichkeit hart und brutal. Dann erfasst uns Trauer.

Doch trauern auf Befehl? Weil es der Kalender vorschreibt? Was soll das? Und geht das überhaupt? Wozu sind sie gut, diese Gedenktage, die uns zum Trauern auffordern?


Was Trauer ermöglicht

Trauer ist ein emotionaler Zustand. Trauer ist von starken Gefühlen hervorgerufen, die uns aus unterschiedlichen Gründen ergreifen:

Es kann sich um den Tod eines geliebten Menschen handeln, es kann tiefe Niedergeschlagenheit über Ereignisse meinen, die uns direkt betreffen, aber womöglich auch fern von uns sind und uns doch sehr berühren.

Immer geht es um einen Verlust, verbunden mit einem Aufbegehren gegen die Erkenntnis der Unabänderbarkeit, verbunden mit Fragen nach der Sinnhaftigkeit, verbunden mit Gefühlen der Ohnmacht, der Hilflosigkeit und möglichen Versagens oder gar Schuld angesichts der Härte, mit der uns die Situation überwältigt.

Aktives Trauern meint, die Trauer zu verarbeiten. Aktives Trauern hilft, Schmerz, Leid und Ohnmacht zu überwinden, sie nicht nur geschehen zu lassen. Schmerz, Leid und Ohnmacht, die nicht bewältigt werden, hinterlassen tiefe Narben in der Psyche, Verhärtungen, die uns stumpf machen für Emotionen und Empathie.

So sind die staatlichen und religiösen Gedenk- und Feiertage Zeiten, die unsere Emotionen befeuern wollen. Es sind Zeiten, die uns helfen sollen, traurige Ereignisse adäquat zu verarbeiten, um neue Wege zu finden, sie zu überwinden. Denn ausweichen können wir ihnen nicht. Im Laufe unseres Lebens werden wir alle mit zahlreichen, traurigen Erlebnissen unterschiedlicher Qualität und Härte konfrontiert. Gut, wenn wir darauf vorbereitet sind!

Überwinden meint aber auch: Hoffnung gewinnen! Den Blick so auf jene Veränderung zu werfen, die das traurige Ereignis ausgelöst und begründet hat, dass neue Erkenntnisse gefunden werden. Es geht darum, neue, gangbare Wege sichtbar werden zu lassen. Es geht darum, die Psyche zu bestärken, um die starken Emotionen in zielgerichtetes, positives Handeln umzuleiten.

Ja, Trauer zeigt uns Grenzen auf. Doch die Chance besteht darin, aus der Trauer heraus Hoffnung entstehen zu lassen, die uns hilft, diese Grenzen zu überwinden.


Gedenken an Verstorbene ist Erkenntnis des Seins

Wir gedenken in den letzten Wochen vor der Adventszeit der Toten, der Verstorbenen, und damit unserer eigenen Herkunft.

Es gibt uns nur, weil es sie gab. Das ist uns durchaus klar. Aber ist es uns bewusst?

So kann Dankbarkeit die Trauer durchfluten. Dankbarkeit dafür, dass diese Menschen gelebt haben, dass sie Teil unserer Ahnenkette waren, und – dass sie gestorben sind.

Es gibt uns nur, weil dieses ewige Spiel des Sterbens und des Geborenwerdens so läuft, wie es läuft. Es gäbe keine Not, keinen Grund und sehr wahrscheinlich auch keine Chance, Kinder zu zeugen, wenn wir unsterblich wären.

Es gibt uns nur deshalb, weil eine unvorstellbar lange Kette von Vorfahren ihr individuelles Leben, ihre Lebenskraft, in der Zeugung an ihre Kinder weitergeben hat. Von Generation zu Generation. Und so durchflutet Hoffnung die Trauer, dass das Leben in kommenden Generationen auch (und hoffentlich besser!) gelebt werden kann. Auch dann, wenn manch eine Kette abreißt, weil Menschen keine Kinder zeugen oder zeugen können: Die Welt wird von Menschen bevölkert werden.

Es bleibt uns die Hoffnung, die im Christentum fest verankert ist, dass diese Menschen dann klug genug sind, sich an ethischen und moralischen Regeln zu orientieren, die ihnen eine bessere Welt bieten und somit ein besseres Leben ermöglichen. Gestalten jedoch müssen sie dies alles selbst.

Unsere Aufgabe unterscheidet sich davon nicht. Wir können uns nicht schulterzuckend von dieser Verantwortung befreien. Der Blick auf die Ahnen lehrt uns: Erst waren sie, nun sind wir an der Reihe. Wir legen das Fundament für das Leben unserer Nachkommen, unserer eigenen und der unserer Mitmenschen. Wir tun es schon allein durch unser Dasein. Es lässt sich nicht verhindern! Dann sollten wir auch bewusst und verantwortungsvoll damit umgehen.

Die Tage der Trauer sind keine Aufforderung dazu, in Traurigkeit zu versinken. Vielmehr erinnern sie uns daran, das Leben, unser Leben und das unserer Kinder, an Werten auszurichten, die uns allen wichtig sind. Sie geben uns die Chance, mal etwas langsamer zu treten, in ein erholsames Nachdenken zu fallen, um daraus neu zu erwachsen, voll mit neuen Inspirationen, Ideen und Erkenntnissen.

Es geht darum, das alte Laub abzuwerfen, um Kraft zu sammeln, damit sich neue Triebe bilden. Und wo? In unserem Denken, Reden und Handeln.


Sabrina

Kategorien: Brauchtum | Hope for the Future

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Ostersonntag 2016

27. März 2016

27. März 2016

Ostersonntag

Ein evangelischer Feiertag

Es ist Ostersonntag. Doch was macht diesen Tag so besonders? Ein kleiner Spaziergang durch unser Wohnviertel zeigt: augenscheinlich nichts!

Da arbeiten schon am frühen Morgen fleißige Mitmenschen in ihren kleinen Gärten, da rollen Autos durch die Straßen, die Möbel transportieren – offensichtlich zieht jemand weg oder ein. Da stehen lange Schlangen vor dem kleinen Bäckerladen und statt Sonntagskleidern überwiegen doch eher Jogging-Anzüge.

Es ist eben Sonntag. Ein eher ganz normaler Sonntag. Arbeitsfrei. Zumindest für viele. Für andere nicht. Die einen frühstücken mit frischen Brötchen, die anderen verkaufen sie. Die einen gehen arbeiten, die anderen nutzen die freie Zeit für Arbeiten in Haushalt, Heim und Garten.

Und Ostern? »Ich bin doch nicht katholisch!« ist die lapidare Antwort des freundlichen Nachbarn, der geflissentlich seinen Garten pflegt, auf unseren Hinweis, es sei doch Ostern.

Hmmm.

Ostern ist der höchste evangelische Feiertag

Ostern ist ein christlicher Feiertag. Für alle Christen. Nicht nur für Katholiken. Und überhaupt sind christliche Feiertage eben die Feiertage der Christenheit. Dazu zählen auch Lutheraner und Reformierte, eben evangelische Christen.

Das hat was mit der Taufe zu tun. Mit der Taufe auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Nicht mit der Kirchenzugehörigkeit. Sind Sie getauft?

Und was wohl viele nicht wissen: Ostern ist der höchste evangelische Feiertag!

Da kann selbst Weihnachten nicht mithalten. Auch wenn uns Brauchtum und Kommerz etwas anderes einflüstern wollen.

Das liegt eben daran, dass Ostern, das Fest der Auferstehung Christi, eben der höchste Feiertag für alle Christen ist. Nicht umsonst umkleidet das Fest eine so dichte Folge besonderer, christlicher Gedenk- und Feiertage. Los geht es schon an VerweisPalmsonntag. Es folgen VerweisGründonnerstag, VerweisKarfreitag, VerweisKarsamstag mit dem Beginn der VerweisOsternacht, VerweisOstersonntag und VerweisOstermontag.

Gesetze für alle

Die Feiertagsgesetze der Länder in Deutschland berücksichtigen den hohen Stellenwert mit besonderen Gesetzen und Verordnungen für die Zeit zwischen Gründonnerstag und Ostermontag durchaus! Die Gesetze benennen die Feiertage und weisen stille Zeiten aus, die insgesamt »der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung dienen« sollen.

Nun haben alle was davon. Egal, ob sie Christen sind oder nicht. Doch es galt, insbesondere den Christen die nötige Zeit einzuräumen, damit sie ihren religiösen Gebräuchen in diesen Tagen nachgehen können. An Gartenarbeit, Umzüge und Frühstück mit frischen Brötchen hat der Gesetzgeber da ganz sicher nicht gedacht.

Ostern verstehen und würdigen

Doch worum geht beim Osterfest? Wissen Sie es? Was meint »Auferstehung«? Welchen Sinn hat das Fest in der heutigen Zeit für Christen, speziell für evangelische Christen? Welchen Sinn hat es für Sie?

Man müsset es mal nachlesen. Doch ja, es ist nicht leicht, den Zugang zu den biblischen Texten zu finden! Sicher: Das Buch steht im Regal, und es lässt sich schnell aufschlagen. Doch wo? Und dann noch darin lesen? Die alten Geschichten? Wen interessiert das?

Wir meinen: Das sollte Christen durchaus interessieren! Darauf gründet sich nicht nur ihr Glaube, darauf gründet sich unsere Kultur, darauf gründet sich unser Wertesystem.

Doch selber nachschlagen müssen Sie nicht!

Wir erklären Ihnen in vielen kleineren Abhandlung, was Ostern ist und was es für die Christen heute bedeutet. Lesen Sie unsere Artikel aus unserem Kalender rund um Ostern. Es könnte gut sein, dass etwas für Sie dabei ist, und dass Sie Ostern neu entdecken. Versprechen können wir das nicht. Aber es kostet nichts, nicht einmal viel Zeit. Wo doch auch noch arbeitsfrei ist!

 

Fröhliche Ostern!
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Abbildung: Fröhliche Ostern!
Doch auch dann, wenn der Osterhase das Nest bewacht, geht es Ostern nicht um bunte Eier und nicht um niedliche Hasen. Es geht um den Sinn des Lebens. Und deshalb ist Ostern das höchste evangelische Fest.
Foto: © Sabrina | Reiner | www.stilkunst.de | Lizenz CC BY-SA

Ausgewählte Artikel zu den tagen rund um Ostern

In den folgenden Beiträgen finden Sie viele Informationen, Erklärungen und Gedanken rund um Ostern:

Titel

→Gründonnerstag

Zu Gründonnerstag gehört die Geschichte vom Letz­ten Abend­mahl. Wir er­klä­ren das jü­di­sche Pa­scha-Ri­tu­al und wie es von Je­sus im Abend­mahl um­ge­setzt wur­de.

Mehr darüber in diesem Artikel.


Titel

→Karfreitag

Am Karfreitag gedenken die Christen des Kreu­zes­to­des Chris­ti. Der Na­me lei­tet sich aus dem Alt­hoch­deut­schen »Ka­ra« ab, was »Kla­ge« oder »Trau­er« be­deu­tet.

Mehr darüber in diesem Artikel.


Titel

→Ostersonntag

»Die Frauen und das Christentum« | »Die Os­ter­bot­schaft« | »Der Os­ter­ter­min«: In meh­re­ren klei­nen Ab­hand­lun­gen den­ken wir nach über Os­tern.

Mehr darüber in diesem Artikel.

Titel

→Ostermontag

Die Auferstehung Christi ist ein schwie­ri­ges Thema. Sie ent­zieht sich all un­se­rer Er­fah­run­gen mit dem The­ma Tod. Was ist das Ge­hei­mnis der Auf­er­ste­hung?

Mehr darüber in diesem Artikel.

Sabrina

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Sabrina

Kategorien: Kirche und Religion | Brauchtum

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Fröhliche Weihnachten!

23. Dezember 2015

Fröhliche Weihnachten!

Wir wünschen allen Besuchern unserer Webseiten fröhliche Weihnachten!
Unsere Video-eCards mit unseren Grüßen finden Sie hier:


Klicken Sie auf das Bild, um zur Seite mit dem Video zu springen.


 


Fröhliche Weihnachten!


Video: Fröhliche Weihnachten 2015!


 

Sabrina

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Renten-Politik: Abstimmung per Rentenantrag

22. November 2014

Gestern eilte diese Meldung durch die Presse und durch die Medien: Die Rente mit 63 wird für die Rentenkasse sehr viel teurer als vorausgesehen! Es liegen weit mehr Rentenanträge vor, als es Vorhersagen und Hochrechnungen vermuten ließen.

Wer hätte das gedacht? Da ermöglicht es das neue Rentenpaket Arbeitnehmern, die 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben, bereits mit 63 Jahren ohne Abschläge in die Rente zu gehen, und die so Begünstigten nutzen das aus! Sie stellen tatsächlich Rentenanträge!

 

Längere Lebensarbeitszeit

Die Überraschung begründet sich darin: Das passt irgendwie gar nicht zu den Hauptargumenten für die Rente mit 67. Das passt nicht zu den Studien und Untersuchungen, die zu den Ergebnissen kommen, dass immer mehr Menschen weit über das gesetzlich angedachte Rentenalter hinaus arbeiten wollen.

Das 63er-Paket war als Ergänzung gedacht, als Option und als Entgegenkommen für die wenigen, die sich über Jahrzehnte den Buckel krumm geschafft haben. Für die, die wirklich nicht mehr können, oder nicht mehr mithalten können, selbst wenn sie wollten. Für die, die nicht krank genug sind, um eine Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) zu beziehen.

Gezeichnet hatte man damals in den Diskussionen musterhaft immer wieder das Bild des Dachdeckers, der mit 67 in schwindelerregenden Höhen mit lädierter Wirbelsäule und mit schweren Betonziegeln in den Händen auf Dachbalken balanciert. Verständlich, wenn der nicht mehr mag! Zumal ihm wohl tagein, tagaus junge, fitte Kollegen seine Grenzen aufzeigen.

Gedacht war an langjährig Versicherte, die sich in Knochenjobs aufgerieben haben. So viele werden es ja wohl nicht sein, dachte man wohl. So viele Dachdecker gibt es ja nun auch nicht. – Oder doch? Und selbst wenn: Die meisten wollen doch gar nicht in Rente gehen. Sie fühlen sich fit und und brauchen den Job als persönliche Erfüllung. – Oder doch nicht? Da sollte man mal drüber nachdenken.

 

Länger arbeiten war schon seit 1992 möglich

Erklärt wurde uns: Was die Masse der Arbeitnehmer vordergründig wolle und bräuchte, sei neben der längeren Lebensarbeitszeit so etwas wie ein »Smart Retirement Program«, ein sanftes Übergleiten von der Vollbeschäftigung in die Vollrente, das an Job-spezifische Bedingungen angepasst werden kann.

Doch das gibt es in Form der Modelle Zwei-Drittel-Teilrente, Ein-halb-Teilrente, Ein-Drittel-Teilrente. Und wer tatsächlich länger arbeiten will, darf das. Er wird sogar mit einer dauerhaften Erhöhung seiner Rentenbezüge belohnt, und zwar für jeden Monat, den er länger arbeitet, mit 0,5% zusätzlich. Wer also ein Jahr länger arbeitet, erhöht seine Rente dauerhaft um 6%. Und das war schon vor der Erhöhung des Rentenalters so.

Was fehlt, sind die Altersteilzeitmodelle, wie es sie früher gab. Auch da könnte man mal drüber nachdenken. Sie wurden rege genutzt, denn sie brachten eine Win-win-Situation sowohl für Arbeitnehmer wie auch für Arbeitgeber. Da können herkömmliche Teilzeitmodelle nicht mithalten, weil sie insbesondere für Arbeitgeber in der Umsetzung oft zu teuer und deshalb uninteressant sind. Neben hohen Kosten erfordern sie ein Höchstmaß an Arbeitsorganisation, um die nötige Flexibilität und Verfügbarkeit in Produktionen und Projekten zu gewährleisten.

Wenn die Studien Recht haben: Hätte es dann anstelle der sofortigen Anhebung des Rentenalters um zwei Jahre vorerst nicht genügt, mehr Marketing für bestehende Optionen zu machen?

Man hätte beispielsweise Arbeitgeber anhalten können, im Rahmen eines betrieblichen Rentenplanungsgesprächs in Zusammenarbeit mit dem Versicherungsträger die Arbeitnehmer zu informieren. Man hätte im Rahmen solcher Einzelgespräche aktiv die längere Arbeitszeit immer dann anbieten können, wenn es sinnvoll erscheint. So hätte man vielleicht dem demographischen Wandel in der weiteren Entwicklung der Renten- und Sozialgesetze ein praxisnahes und erprobtes Fundament gegeben. Für Studien hätten massenhaft fundierte Daten über Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverhalten bereitgestanden. Kein schlechter Gedanke, oder? Vor allem: Das könnte man noch immer tun.

Umgekehrt: Wer etwas früher in Rente gehen möchte, kann das seit 1992 auch schon längst, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, allerdings mit Abschlägen: 0,3 Prozent Abschlag für jeden Monat, den man früher gehen möchte, wobei das frühestens mit 63 Jahren möglich ist. Kann jeder! Dieser Weg wird aber offensichtlich relativ selten gewählt. Wir sind uns ziemlich sicher: Jetzt, nach dem 63er-Angebot, noch seltener! Jedoch: Als Beweis dafür, dass die Arbeitnehmer gar nicht früher in den Ruhestand möchten, ist diese Feststellung sicher völlig ungeeignet.

 

Die Rente mit 63 boomt

Doch, o Wunder! Kaum reicht man den Menschen mit dem 63er-Rente-ohne-Abschlag-Paket den kleinen Finger, packen sie zu! Und zwar kräftig! War das nicht vorhersehbar, – wirklich nicht? Wer jahrzehntelang Dachziegel zugeworfen bekommen hatte, hat es gelernt, fest zuzupacken, und zwar zum genau richtigen Zeitpunkt!

Die Rente mit 63 boomt! Woran liegt das nun genau? Wieso findet sie eine solche Akzeptanz?

Auch wir haben darauf keine eindeutige Antwort. Dafür fehlen die Daten.

Fakt ist: Die Antragsteller blicken auf mindestens 45 Jahre Erfahrungen in der echten Berufswelt zurück, und zwar in ihrer sehr eigenen Berufswelt. Da haben sie ganz sicher schon einiges erlebt. Sie beurteilen ihre individuelle finanzielle und gesundheitliche Situation und sie schauen auf ihre konkreten Perspektiven im Job und auf dem Arbeitsmarkt. Ganz ohne Schönreden. Ausgerichtet an ihrer eigenen Lebenswirklichkeit. Sie treffen Entscheidungen. Jede dieser Entscheidungen, nach vielen Überlegungen und nach Abwägung aller Vor- und Nachteile, meint: »Das ist das derzeit Beste für mich!« Das muss man respektieren.

 

Abstimmung der Rentenantragssteller

Die Flut der Rentenanträge kann ganz sicher so verstanden werden: Es ist eine Volksabstimmung, eine Abstimmung der zur Befragung zugelassenen Bevölkerungsgruppe über die aktuelle Rentenpolitik.

Ist es wirklich das, was die Arbeitnehmer wünschen: Eine längere Lebensarbeitszeit? Stellt man ganz nüchtern die Erwartungshaltung der Politiker, der wissenschaftlichen Berater und der Rentenkasse einerseits und die Ergebnisse in Form der Anträge andererseits gegenüber, heißt die Antwort unwiderlegbar: nein.

Und diese Abstimmung findet nun laufend statt. Die Hochrechnungen wurden bereits aktualisiert. Das ist wichtig, um die Kosten im Griff zu behalten. Doch welche Auswirkungen wird das auf der politischen Ebene haben? Wir werden sehen. Das Arbeitsministerium wird nun sicher regelmäßig über den weiteren Verlauf dieser Abstimmung informieren müssen.

Fakt ist: Es ist gleichzeitig eine Abstimmung über die Arbeits- und Sozialpolitik im Allgemeinen und über die Zustände im Job, im Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft. Themen wie Gesundheit, Altersabsicherung, Vermeidung von Altersarmut, Leistungsvermögen und Arbeitsplatzabsicherung, Hartz-IV usw. schwingen im Hintergrund dieser Entscheidungen signifikant mit. Und zwar bei denen, die es unmittelbar angeht und betrifft. Das sollte nicht verkannt werden.

Es ist das Votum derer, die betroffen sind, denen aber in der ganzen Diskussion und in der Vorbereitung der Gesetze vermutlich viel zu wenig Gehör geschenkt wurde.

 

Nimm es oder lass es!

Klar: Diese Abstimmung bietet faktisch nur die Alternative »Nimm es oder lass es!« Sie begründet nicht, welche Argumente dazu führen und wo die Belange, Nöte und Ängste dieser Menschen angesiedelt sind, die sicherlich in andere politische Konstrukte einfließen müssten.

Die Grundlagen der Entscheidung dafür oder dagegen kennt man nicht. Jedenfalls nicht genau genug. Die Studien scheinen sie nicht ausreichend zu reflektieren. Sie konnten den Ansturm auf dieses Angebot nicht annähernd prognostizieren.

Wir meinen: Die Antragsflut spiegelt wichtige Aspekte der wahren Situation in Deutschland. Man täte nun gut daran, dieses Spiegelbild ernst zu nehmen, zu hinterfragen und zu analysieren. Es mit flüchtigen Anmerkungen im politischen Tagesgeschäft unter den Teppich zu kehren, wäre jedenfalls der falsche Ansatz, und es wäre eine vertane Chance auf dem Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit und zu einer gesellschaftlich adäquaten Rentenpolitik.

 

Sozialpakete statt Rentenpakete

Womöglich ist es an der Zeit, sich von den Ideen der »Rentenpakete« zu lösen und sie politisch zu »Sozialpaketen« zu entwickeln, die viel stärker als bisher die Themen Gesundheit, Bildung, Altersvorsorge, Altersabsicherung, Arbeit, Arbeitslosigkeit. Lebensleistung, Schwerbehindertenrecht, Sozialhilfe und Pflege miteinander verzahnen.

Wie sinnvoll ist es beispielsweise heute noch, an Beitragsbemessungsgrenzen festzuhalten, wenn die Schere zwischen Niedriglohnempfängern und hoch entlohnten Angestellten immer weiter aufgeht und einen tiefen Graben zwischen Unterschicht und Mittelschicht wie eine klaffende Wunde in der Solidargemeinschaft eröffnet?

Spätestens mit dem ersten Rentenbescheid werden viele bis dahin gut verdienende Angestellte feststellen müssen, dass weder die Beitragsbemessungsgrenze noch die jetzige Beitragssenkung um ganze 0,2% (also 0,1% im Portmonee des Arbeitnehmers) gute Deals waren. Spätestens dann werden sie die Solidargemeinschaft im Allgemeinen und das Rentensystem im Besonderen ernsthaft hinterfragen. Fakt ist: Man könnte es auch schon vorher tun.

Viele tun es und haben längst die Initiative ergriffen. Sie finanzieren teure, private Kranken- und Altersabsicherungen, die jedoch komplett an der gesetzlich umsorgten Solidargemeinschaft vorbei gehen. Sie demonstrieren damit: Sie haben das Problem erkannt und sie sind bereit mehr zu zahlen. Viel, viel mehr. Sie tun es auf privaten Wegen, weil der Gesetzgeber für sie keine passenden Angebote anbietet. Bedauerlich ist es, wenn die Politik vor diesen zunehmenden Strömungen in unserer Gesellschaft die Augen verschließt und somit viele wichtige Aspekte gar nicht in die Betrachtung der aktuellen Sozial- und Rentenpolitik einfließen können.


Ungebrochen: Bekenntnis zur Rente mit 67

Während also die Rente mit 63 boomt und dafür die geburtenstarken Jahrgänge, die »Babyboomer«, sich schon hinten angestellt haben und mehr oder weniger geduldig auf ihre Stunde der Antragstellung warten, während gleichzeitig immer mehr Menschen schwer erkranken, Erwerbsunfähigkeitsrenten erhalten und damit vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden, bekennt sich unsere Arbeitsministerin ganz aktuell zur Rente mit 67. Die Begründung sei: Immer mehr Menschen arbeiten über das 60. Lebensjahr hinaus.

Ach, wer hätte das gedacht? Wenn das Renteneintrittsalter auf 67 steht, ist das doch kaum verwunderlich, oder haben wir da etwas falsch verstanden? Die Begründung hätte tatsächlich Gehalt, wenn die Altersrente auf 60 stünde. Tut sie aber nicht.

Der Anteil der Arbeitnehmer, die älter als 65 sind und noch arbeiten, wird in Zukunft gegenüber früher ganz sicher exorbitant zunehmen! Es wäre höchst verwunderlich, wenn das nicht so käme. Dann allerdings davon auszugehen, die Arbeitnehmer wünschten das so, müsste sehr kritisch hinterfragt werden.

Uns würde vielmehr interessieren: Wie viele Arbeitnehmer arbeiten über das gesetzliche Rentenalter freiwillig und eindeutig ohne Not hinaus? Wie steht diese Zahl im Verhältnis zu denen, die vorzeitig in Rente gehen? Und welche Trends sind erkennbar?

 

Mit 60 in Rente?

Über das 60. Lebensjahr hinaus arbeiten, ist das normal Ziel. Mit 60 in Rente gehen ist anders als früher nicht mehr ohne EU-Rente möglich, oder doch?

Selbst Schwerbehinderte haben (anders als früher) nicht mehr die Möglichkeit, ohne Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) vorzeitig (aber unter Inkaufnahme der Abschläge) mit 60 in den Altersruhestand zu gehen. Schwerbehinderte können abschlagsfrei zwei Jahre früher in Rente gehen. Ab dem Jahrgang 1964, der ja bis 67 arbeiten muss, also mit dem 65. Lebensjahr.

Es ist daher anzunehmen, dass auch viele Schwerbehinderte, die 63er-abschlagsfrei-Lösung vorziehen werden, sofern sie die Voraussetzungen erfüllen. Dann aber darauf zu schließen, dass Schwerbehinderte eine längere Lebensarbeitszeit vorziehen, oder der Anteil schwerbehinderter Rentner schrumpft, weil die Zahl der Anträge auf vorzeitige bzw. altersgerechte Rente wegen Schwerbehinderung abnimmt, wäre selbstverständlich unsinnig.

Doch warten wir es ab. Die betroffenen Jahrgänge sind noch nicht so weit. Sie kommen erst ab nächstem Jahr peu à peu zur Wahlurne, wie viele andere auch, deren 63. Geburtstag in greifbare Nähe rückt.

 

Und die Zukunft?

Werden wir, was Rentner betrifft, eine Drei-Klassen-Gesellschaft werden? Entweder Rente mit 63 oder mit 67. Kommt darauf an, ob man es geschafft hat, vor dem 63. Lebensjahr die nötigen 45 Beitragsjahre vollzukriegen, oder nicht. Dazu die Gruppe der EU-Rentner. Diese Gruppe wächst leider. Alles andere werden womöglich Sonderfälle sein, die an der Gesamtzahl der Rentner nur noch marginal Anteil haben werden.

Auch, wenn wir uns das anders wünschen würden: Zu den eher kleinen Gruppen zählen womöglich auch die, die noch über das Rentenalter hinaus freiwillig arbeiten werden, ohne die Not zu haben, neben der Rente ihren Lebensunterhalt durch einen Hinzuverdienst absichern zu müssen. Denn leider wächst auch die Gruppe derer, die vom Hinzuverdienst komplett abhängig sind oder ihn brauchen, um den sozialen Abstieg ins Bodenlose zu verhindern.

Bereits heute müssen viele, ehemals gut verdienende Angestellte, die keine private Absicherung vorgenommen haben, im Rentenalter hinzuverdienen, wenn sie ihren gewohnten Lebensstandard auch nur annähernd halten möchten. Oder sie verschieben den Renteneintritt nach hinten, was einerseits auch das Problem hinausschiebt und anderseits die Rente leicht erhöht. Ob sie diese Not jemals öffentlich zugeben, ist eine andere Frage.

Ob das so kommen wird? Zumindest ist es dieses Bild, entgegen allen Prognosen, die uns die jetzige Antragsflut auf Rente mit 63 zeichnet.

Es kann auch ganz anders kommen. Wir sind sehr gespannt, wie es weitergeht.

Sabrina

Kategorien: Politik | Hope for the Future

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100 Jahre Panamakanal

15. August 2014

100 Jahre

Panamakanal

Das Jahr 1914 hat in vielerlei Hinsicht die Welt verändert. Während in Europa der Krieg ausbrach, stellten die U.S.-Amerikaner in Panama das damals größte Bauprojekt der Welt fertig, den Panamakanal, und betraten damit die politische Weltbühne als neue Weltmacht.

Einfahrt in den Panamakanal | Foto: © Sabrina | Reiner | Lizenz CC BY-SA
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Abbildung: Panamakanal | Ein Containerschiff wartet darauf, in das erste Becken der Gatún-Schleuse einzufahren.
Foto: © Sabrina | Reiner | www.stilkunst.de | Lizenz CC BY-SA

Das Containerschiff liegt noch in der Limón Bay (Bahía Limón), Schlepper drücken das Schiff in die richtige Lage, die Kanaleinfahrt ist eng. Das vordere, das zweite Becken wird gerade geflutet, im ersten Becken wird Wasser abgelassen, um das Niveau des Atlantiks zu erreichen. Danach öffnen sich die riesigen Schleusentore und das Schiff kann in die erste Kammer einfahren. Dort wird der Wasserstand dann auf das Niveau der zweiten Kammer gehoben und mit ihm das Schiff.

Seit Jahrhunderten träumten die Seefahrer davon, auf einer kurzen Verbindung vom Atlantik in den Pazifik kreuzen zu können. Bis dahin führte die einzige schiffbare Route um die Südspitze von Südamerika herum, um das gefürchtete Kap Horn. Die lange Reise verschlang nicht nur Zeit und Geld, sie führte durch Seegebiete, die wegen der starken Strömungen und wegen des fortwährend stürmischen Wetters gefährlich waren und manch ein Schiff in Seenot brachten. Viele Schiffe sanken, Menschen kamen ums Leben und Ladungen gingen verloren.

Die Landenge von Panama bot sich geradezu an, beide Ozeane mit einem Kanal zu verbinden. Zunächst versuchten sich die Franzosen zwischen 1881 und 1889 an diesem 82 Kilometer langen Kanalprojekt, doch sie konnten es nicht zu Ende führen.

Die natürlichen Hindernisse, die sich dem Bauprojekt in den Weg stellten, schienen unüberwindbar: tropische Bedingungen, große Hitze, wochenlange, schwere Regenfälle, Geländeformationen, die durch dichten Dschungel, über Bergketten und durch morastige Täler führten und zahllose Malaria-Mücken, die fast jeden Arbeiter in kurzer Zeit infizierten und erkranken ließen. Etwa 22.000 Arbeiter kamen ums Leben.

1902 verkaufte die zuständige französische Gesellschaft das Projekt mit allen Rechten an die USA. Amerikanische Ingenieure begannen 1905 das angefangene Projekt fortzusetzen. Sie investierten die damals ungeheure Summe von 386 Millionen US-Dollars. Für Präsident Theodor Roosevelt wurde der Ausbau des Panamakanals zu einer wichtigen taktischen Maßnahme und zu einem Prestigeprojekt für die USA.

Als der Kanal endlich im Jahr 1914 fertiggestellt und eröffnet werden konnte, zählte die USA bis dahin 5.609 Arbeiter, die bei den Bauarbeiten ums Leben gekommen waren.

Die USA legten mit dem erfolgreichen Bau und der Eröffnung des Kanals den Grundstein ihrer Stellung als Weltmacht. Von nun an veränderte sich die globalen Machtverhältnisse. Die USA griffen in das Weltgeschehen ein.

Blick auf die drei Schleusenbecken | Foto: © Sabrina | Reiner | Lizenz CC BY-SA
Creative Commons Attribution-ShareAlike

Abbildung: Panamakanal | Blick auf die drei Schleusenbecken der Gatún-Schleuse am Atlantik.
Foto: © Sabrina | Reiner | www.stilkunst.de | Lizenz CC BY-SA

Das Containerschiff befindet sich jetzt im ersten Becken. Es liegt noch tief, der Rumpf des Schiffes ist nicht zu sehen. Es wartet nun darauf, gehoben zu werden. Bis zum dritten Becken wird es um etwa 26 Meter angehoben werden.

Am 15. August 1914 passierte das 200 Passagiere transportierende Paketboot »Ancon« als erstes Wasserfahrzeug den Panamakanal in voller Länge.

Heute passieren jährlich knapp 15.000 Schiffe den Kanal, trotz der hohen Gebühren, die dafür gezahlt werden müssen. Ein größeres Schiff, wie ein Container- oder Kreuzfahrtschiff, bezahlt mehrere Hunderttausend Dollars für eine einzige Durchfahrt.

WEITERE FOTOS IN UNSEREM FOTOALBUM
Panama Canal

FOTOSERIE PANAMAKANAL

59 Fotos von einer Reise durch den Kanal

Der Panamakanal ist eine der wichtigsten künstlichen Wasserstraßen der Welt. Mehrere Schleusen gleichen die Höhenunterschiede zwischen den Meeren und dem Binnensee aus.

Sabrina

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