Erſe

Wörterbuch Luther-Deutsch

Biblia 1545

Wörterbuch zur Lutherbibel 1545

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zur Lutherbibel von 1545

 

Erſe

 
 

 

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Biblia 1545

Artikel aus dem Wörterbuch

Luthers Wort

Bedeutung

Erſe

 

(Ars)

Ärsche, die (Pl.)

Singular: Ars

 

menschlicher Körperteil

 

der Arsch, der Hintern

 

In der Lutherbibel 1545 kommt das Wort nur im Plu­ral vor: Erſe.

 

 

ahd. mhd: ars, pl.: erse

 

 

hebräisch

צֹפֶל (cõp̄äl), Plural: צֳפָלִימ (copͻliym)
An­schwel­lung, Beu­le, Ge­schwulst am After

lateinisch

culus, anus, podex
der Arsch, Hintern

 

Erſe
Vorkommen in der Lutherbibel von 1545

 

Gesamt AT Apokryphen NT
5* 5 0 0

 

* In diesem Artikel sind alle Fundstellen zitiert.

 

Das Wort kommt in der Lu­ther­bi­bel nur 1Sam 4 und 1Sam 6 vor im Zu­sam­men­hang mit der Pla­ge, die durch die Bun­des­la­de in der Stadt Asch­dod un­ter den Phi­li­stern wü­te­te: Es brach ei­ne Krank­heit aus und Mäu­se ver­mehr­ten sich schlag­ar­tig.

 

Luther ver­wen­det das Wort Erſe für er­krank­te Hin­tern: Wahr­schein­lich bil­de­ten sich in der be­schrie­be­nen Plage bei Men­schen am Ge­säß oder am Af­ter ei­tri­ge Beu­len, Ab­zesse.

 

Man­che For­scher ge­hen da­von aus, dass die Krank­heit ei­ne Form der Ruhr (Dy­sen­te­rie) ge­we­sen war. Die­se Darm­er­kran­kung kann Ge­schwüls­te am und im End­darm ver­ur­sa­chen, ver­läuft un­ter­schied­lich schwer und kann töd­lich en­den. Aus­lö­ser sind meist man­gel­haf­te Hy­gi­e­ne­be­din­gun­gen, wo­rauf die Mäu­se­pla­ge hin­wei­sen mag.

 

Moderne Über­set­zun­gen ver­wen­den den all­ge­mei­ne­ren Be­griff Beu­le als Krank­heits­be­zeich­nung, oh­ne den Ort näher zu be­stim­men.

 

Der Begriff Ars, Erſe ge­hör­te si­cher­lich schon lan­ge vor Luther zu einer durch­aus der­ben, aber sehr ge­läu­fi­gen Aus­drucks­wei­se. Erst spä­ter fan­den Aus­drücke wie Af­ter, Hin­tern, Ge­säß, Sitz­fleisch, Aller­wer­tes­ter u. a. Ein­zug in die fei­ne­re Spra­che, um als derb klas­si­fi­zier­te oder um­gangs­sprach­li­che Aus­drü­cke in Po­e­sie und Pro­sa zu ver­mei­den.

 

Heute wer­den solche Ausdrücke wieder en vouge, mo­dern, zu­min­dest kon­text­be­zo­gen und si­tu­a­tiv.

 

Prediger sollten daher durch­aus Mut zei­gen, und Luthers Wort­wahl ab­wä­gen. Im Kon­text der Ge­schich­te 1Sam 4 - 6 ist das Wort Beule sicher kein Mit­tel, um die Not der Phi­li­ster und ihre be­mer­kens­wert ri­tu­a­li­sier­te Reue (das Schuld­op­fer) mit der nö­ti­gen, ar­cha­i­schen Wir­kung in ih­rem Glau­bens­ver­ständ­nis aus­zu­drü­cken: Die Men­schen wur­den ri­tu­ell zu­min­dest vor­über­ge­hend un­rein (und so­mit von der Ge­sell­schaft aus­ge­schlos­sen), sie muss­ten für die Di­ag­no­se ih­ren Scham­be­reich offen­le­gen, sie muss­ten äu­ßerst schmerz­haf­te Ent­zün­dun­gen er­tra­gen, sie lit­ten an Krämp­fen und Durch­fäl­len, und vie­le star­ben an plötz­li­chen Ge­schwulst­per­fo­ra­ti­o­nen mit Aus­tritt ei­tri­ger Flüs­sig­kei­ten. Es gab kei­ne Heil­mit­tel.

 

Durch den epe­de­mie­ar­ti­gen Aus­bruch konn­ten gleich­zei­tig un­zäh­li­ge Men­schen ihre Be­ru­fe nicht mehr aus­ü­ben. Alle Schich­ten wa­ren be­trof­fen: Ar­bei­ter, Hand­wer­ker, Ver­wal­tungs­an­ge­stellte usw. Das Le­ben in der Ge­sell­schaft kam in den be­trof­fe­nen Städ­ten weit­ge­hend zum Er­lie­gen. Und das alles, we­gen ei­ner gra­sie­ren­den Ent­zün­dung des Darms und am Hin­tern.

 

Aus der Sicht der bi­bli­schen Au­to­ren: Noch de­mü­ti­gen­der konn­te eine Stra­fe Got­tes kaum aus­fal­len.

 

 

 

Aus Luthers Anmerkung in der Marginalspalte zu 1Sam 4, ab Vers 14:

 

→1Sam 4,15

 

[...] hie be­deut mit den gül­den Er­ſen vnd Meu­ſen / welches nichts iſt / denn die heim­li­che pla­ge der Ge­wi­ſſen / die zu letzt of­fen­bar wird durch Got­tes wort [...]

 

[...] hier bedeuten »die goldenen Ärsche und Mäuse« nichts anderes als die heimliche Plage der Gewissen, die letztendlich offenbar wird durch Got­tes Wort [...]

 

Anm.:

Luther kommentiert hier die Geschichte, in der die Bundeslade von den Phi­lis­tern er­o­bert und nach As­dod in den Tem­pel des Got­tes Da­gon ver­bracht wur­de, be­vor sie von den Phi­lis­tern nach ka­tas­tro­pha­len Er­eig­nis­sen im Land frei­wil­lig wie­der an Is­ra­el zu­rück­ge­ge­ben wur­de (1Sam 4 - 6). In der An­mer­kung führt Luther Über­le­gun­gen zu dem für ihn zen­tra­len Be­griff »Ge­wis­sen« aus. Die »gol­de­nen Är­sche und Mäu­se«, auf die er sich be­zieht, kom­men erst in 1Sam 6 vor.

 

 

 

→1Sam 6,4

 

SIE aber ſpra­chen / Welchs iſt das Schuld­op­f­fer / das wir jm geben ſollen? Sie antworten / Fünff gülden Erſe / vnd fünff gülden Meuſe /

 

Sie aber sprachen: »Woraus besteht das Schuldopfer, das wir geben sollen?« Sie ant­wor­te­ten: »Fünf goldene Ärsche und fünf goldene Mäuse.«

 

Anm:

Gemeint sind aus Gold gefertigte Sym­bol­fi­gu­ren, Plas­ti­ken, die wie Mäu­se und Är­sche aus­sa­hen.

 

Der Hintergrund dazu wird in →1Sam 5 Vers 9 (und 12) erzählt:

[...] ward durch die Hand des HERRN in der Stad ein ſeer gros Rumor / vnd ſchlug die Leu­te in der Stad / beide klein vnd gros / vnd kriegten heimliche Plage an heimlichen örten.

 

Vers 9 weist darauf hin, dass es in der Stadt der Phi­lis­ter plötz­lich viel Geschrei gab (ſeer gros Rumor), weil die Be­woh­ner von ei­ner bös­art­ig­en und schmerz­haf­ten Krank­heit ge­plagt wur­den, die offen­sicht­lich im in­ti­men Kör­per­be­reich aus­brach (an heimlichen örtern), im Darm und am After (vermutlich Durchfälle, Krämpfe, Abzesse).

 

Neue Über­set­zun­gen schrei­ben: »sodass an ihnen Beu­len aus­bra­chen« (Luther 2017).

 

Doch der Begriff Beule ist zu all­ge­mein und nicht ein­deu­tig ge­nug. Beule ist na­he­zu neu­tral, kann vie­le Ursachen haben und ih­re Folgen für den Er­krank­ten im Ver­lauf der Krank­heit sind unbestimmt. Der he­brä­i­sche Be­griff kenn­zeich­net sehr viel kon­kre­ter (ent­zün­de­te) Ge­schwüls­te (ei­tri­ge Ab­zes­se) am Af­ter (im End­darm und am Darm­aus­gang, eben am ver­bor­ge­nen Ort), nicht ir­gend­wo am Kör­per. Und die Sa­che war schmerz­haft: Das Ge­schrei in der Stadt war groß (Vers 12).

 

Nun lässt sich eine Ei­ter­beu­le kaum wie­der­er­kenn­bar als gol­de­ne Plas­tik for­men. Für Luther war es da­her klar, dass die Plas­ti­ken Ab­bil­dun­gen von men­sch­li­chen Ge­säß­tei­len ge­we­sen sein muss­ten, wo­mög­lich mit aus­ge­präg­ten Ver­for­mun­gen, um die Krank­heit zu vi­su­a­li­sie­ren.

 

Die Plastiken zeigten sicherlich kleine, gol­de­ne Är­sche. Und so soll­ten sie auch heu­te ge­nannt wer­den: Ärsche, nicht Beulen.

 

Die Bot­schaft der Plas­ti­ken war das Ein­ge­ständ­nis der Phi­lis­ter: »Uns ha­ben zwei Pla­gen eu­res Got­tes be­siegt: Mäu­se, die un­se­re Le­bens­mit­tel ver­nich­te­ten, und ei­tri­ge Ge­schwüls­te an un­se­ren Är­schen, die un­ser ge­sell­schaft­li­ches Le­ben zu­sam­men­bre­chen lie­ßen.«

 

Die Phi­lis­ter de­mons­trie­ren mit der Rück­ga­be der La­de zu­sam­men mit den Sym­bol­fi­gu­ren als Op­fer­ga­be: »Nehmt die Lade zu­rück und mit ihr mö­gen die Pla­gen wei­chen.« Sie war­nen da­mit gleich­zei­tig alle Phi­lis­ter­fürs­ten da­vor, sich je­mals wie­der der Bun­des­la­de zu be­mäch­ti­gen.

 

 

 

→1Sam 6,5

 

So müſſet jr nu machen gleiche geſtalt ew­ren Erſen vnd ew­ren Meuſen / die ewr Land verderbet haben

 

So müsst ihr nun [die goldenen Symbolfiguren] in gleichem Aussehen machen wie eure [erkrankten] Ärsche und eure Mäuse, die euer Land verwüstet haben.

 

 

→1Sam 6,11

 

Vnd legten die Lade des HERRN auff den wagen / vnd das Keſt­lin mit den gülden Meuſen vnd mit den Bilden jrer Erſe.

 

Und [sie] legten die Lade des HERRN auf den Wagen, und auch das Kästchen mit den goldenen Mäusen und den Abbildungen [Plastiken] ihrer Ärsche.

 

 

→1Sam 6,17

 

Dis ſind aber die gülden Erſe / die die Philiſter dem HERRN zum Schuld­op­f­fer gaben /

 

Dies sind aber die goldenen Ärsche, die die Philister dem HERRN zum Schuldopfer gaben

 

SK Version 06.04.2024  

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